Ein geheimnisvoller Sandsteinfelsen, den es zu rehabilitieren gilt.
Am nordöstlichen Rand des Wasenbergs, gleich neben der Wasenbourg, erhebt sich stolz der Wachtfelsen. Er würde die Festung fast in den Schatten stellen, so schön ist sein Aussehen und so stilvoll seine Fassade, die der eines antiken Tempels ähnelt. Auf der einen Seite römisch auf der anderen keltisch; unser Riese pflegt das Geheimnisvolle!
Seine Ursprünge liegen Millionen Jahren zurück.
Der etwa zehn Meter hohe Felsen ist das Ergebnis einer geologischen Transmutation durch Erosion. Vor 220 Millionen Jahren befand sich unsere Region am Rande einer tropischen Wüste, die von starken Winden gefegt und von sinnflutartigen Regenfällen ausgewaschen wurde. Diese Niederschläge führten Sand und Steine mit sich, die auf Grund des Eisenoxyds in ihrer Zusammensetzung rot gefärbt waren. Mit der Zeit überlagerten sich der Schlamm aus den Flüssen und die Sanddünen verklumpten und verfestigten sich zu Sandstein. In den darauffolgenden geologischen Perioden wirkte die Erosion in all ihren Formen wie Wind, Wasser, mechanische oder chemische Erosion aufs Höchste. Die Abtragung und der Abrieb des Felsmaterials vom Gipfel des Reisbergs bis zum Ende des Wasenbergs ließen dieses so spektakuläre Naturdenkmal entstehen.
Am Wachtfelsen wurde schon früh zu den Göttern gebetet.
Wie auf sehr vielen Hügeln in den Vogesen ist es wahrscheinlich, dass die Kelten Riten zu Ehren von „Vogesus“, dem Gott der lokalen Berge, oder sogar von „Epona“, der Göttin der Fruchtbarkeit und der Reisenden, praktiziert haben. Ausgrabungen aus den vergangenen Jahrhunderten belegen, dass Merkur hier verehrt wurde. So kann man im Museum von Niederbronn Stelen und Reliefs bewundern, die dem römischen Gott der Reisenden, der Diebe und der Beredsamkeit gewidmet sind. Sie sollen aus einem Tempel stammen, der sich zwischen der heutigen Festung und dem Wachtfelsen befunden haben soll. Die Grundrisse seiner Fundamente wurden im 19ten Jahrhundert festgelegt. Die später an den Hängen des Felsens und der Burg ausgegrabenen Halbsäulen, Teilen des Frieses, Resten des Gesimses und des Architravs[1] stärken diese These. Charles Matthis (1851-1925) ein archäologiebegeisterter zugezogener Niederbronner, hatte die Idee, einige dieser Überreste in den Felsen zu integrieren. Eine Tafel des Vogesenclubs, von der heute nur noch die beiden Haken zu sehen sind, zeugte davon[2]. Dieser leidenschaftliche Anhänger der lokalen Geschichte und damalige Präsident des Vogesenclubs verlieh dem Felsen das Aussehen der Fassade eines antiken Tempels und nannte ihn Merkurportal. Dabei versah er ihn mit einer Legende in chaotischem Latein – „(M) ERCURIO AEDEM SUIS ORNAMENTIS ORUM RUNT“[3]-in der Absicht, ihm seine“ merkurische Berufung“ zurückzugeben. Dieser geflügelte Gott, der griechische Hermes, war dort oben wirklich sehr beliebt! Wir werden noch von ihm sprechen.
[1] Begriffe aus der Architektur, die Steine oder Leisten bezeichnen, die sich über den Säulen und an deren Berührung befinden.
[2] Dort war zu lesen :« vestiges d’un temple de l’époque gallo-romaine, découverts par M. Charles Matthis et rassemblés pour en empêcher la destruction. Le Club Vosgien de la section de Niederbronn-Reichshoffen 1925“.
[3] Versuch einer Übersetzung ins französische: „(voués) au sanctuaire de (M)ercure (avec) ses ornements“ (dem Heiligtum des (M) ercure (mit) seinem Schmuck geweiht).
Von dem Felsen und dem Hügel aus kontrollierte man die Ebene und die Umgebung.
Neben den kultischen Zwecken hat der Wachtfelsen wahrscheinlicher noch eine militärische Funktion gehabt. Archäologen und Historiker gehen davon aus, dass der Felsen bereits Teil einer Wachturmvorrichtung eines frühgeschichtlichen Gebäudes war, das sich an der Stelle der heutigen Wasenbourg befand. Ausgrabungen darunter eine halbe Stele aus dem 1.Jahrhundert n.Chr., auf der die Achte Legion[1] erwähnt wird, haben gezeigt, dass der Wachtfelsen zur Zeit der Römer eine „SPECULA“ gewesen war. Dieser lateinische Begriff bezeichnet einen Beobachtungs- und Überwachungsposten. Die römische Militärtechnik war hervorragend darin, starke Brückenköpfe im Feindesland zu errichten, Militärlager mit hochentwickelten Türmen oder kleinere Camps zu bauen. Alle diese Anlagen nutzten die Vorteile des Geländes zur Defensive und zur Offensive bestens aus. Man kann sich leicht vorstellen, dass dies am Wachtfelsen der Fall war, und dass eine Einheit Soldaten sicher und dauerhaft auf dem Hügel stationieren konnte. An der Oberseite und an den Seiten des Felsens sind Kerben und Aussparungen zu erkennen, die wahrscheinlich zur Befestigung von Geräten, Holzkonsruktionen, Zugangssystemen zum Gipfel usw. dienten. Nichts könnte interessanter und vitaler sein für das Militär als die Kontrolle eines der Ausgänge[2] der Nordvogesen und die Möglichkeit, dort überraschend einzugreifen. Das alte Sprichwort: «wer die Höhen hält, hält auch die Tiefen“ war damals eine goldene Regel im Bereich der Taktik.
[1] Diese römische Einheit, die durch gallische und germanische Hilfstruppen verstärkt wurde, verbrachte mehr als vier Jahrhunderte im Nordelsass, und Süd- und Westdeutschland, bis zum Zerfall des Reiches.
[2] Hier der des Falkensteinerbachs, ein Übergang von der Lothringischen Hochebene zum Rhein.
Helfen Sie uns, dem Felsen seine ursprüngliche Funktion wieder zu gewinnen!
Der Wachtfelsen mit seiner besonderen Identität sollte wieder als Aussichtspunkt genutzt werden. Heute ist es nicht mehr möglich, auf den Gipfel zu gelangen. Eine Restaurierung des Wachtfelsens würde die geplante Restaurierung der Wasenbourg ergänzen. Diese ist zwar bescheidener, würde aber den Besuchern die lokale römische Antike näherbringen. Ein gesicherter Zugang und ein Beobachtungsposten auf dem Gipfel könnten dort unter Berücksichtigung der damaligen Aspekte eingerichtet werden. Dank der historischen und archäologischen Quellen von Charles Matthis und seinen Vorgängern, aber auch mit Hilfe von Archiven über den LIMES[1], könnten wir dafür sorgen, dass der Wachtfelsen seine Bestimmung als „SPECULA“ wiedererlangt. In diesem Sinne richten wir eine Bitte an Alle, die uns bei der Dokumentation dieses Themas und ihre Durchführung helfen könnten. Eine enthusiastische und entschlossene Unterstützung des Projekts wird dazu beitragen, dass der Riesenfelsen seine ursprüngliche Funktion wiedererlangt. Es gibt schon die Freunde der Wasenbourg, warum nicht auch die des Wachtfelsens? Vielen Dank im Voraus für Ihre Hilfe.
[1] Dies ist der Name, den moderne Historiker den Systemen aus verstärkten Befestigungen und natürlichen Barrieren geben, die entlang einiger der Grenzen des Römischen Reichs errichtet wurden.